2.1 Steuerbetrug und Steuerverwaltung
Das Thema Cum-Ex bleibt dynamisch. Der Insolvenzverwalter der US-Bank Lehman Brothers wird wohl etwa 50 Millionen Euro zurückerstatten, die die Bank als Leerverkäufer mit den intern als „German Trades“ bekannten Geschäften gemacht hatte. Zudem hat die Warburg Gruppe nun insgesamt 155 Millionen Euro an den Hamburger Fiskus zurückgezahlt – ein Erfolg der bisherigen Aufklärungsarbeit vor allem der Kölner Staatsanwaltschaft. Deren Cum-Ex-Ermittlungen werden angesichts des wachsenden Ermittlungsumfangs auf mittlerweile fast eintausend Beschuldigte mit 40 zusätzlichen Kriminalpolizeibeamten gestärkt.
Während das LG Wiesbaden erneut den Beginn des Cum-Ex-Prozesses verschoben hat – diesmal auf den 26. März – sind beim zweiten Bonner Prozess einige spannende Einzelheiten über die Entscheidungsprozesse zum Verzicht auf die Warburg-Rückforderung durch das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen bekannt geworden. Klar ist mittlerweile, dass die ostentativ drohende Insolvenz der Warburg die Entscheidungen im Finanzamt beeinflusst hat. Obwohl die direkt mit der Warburg beschäftigten Beamt*innen die heutige rechtliche Einschätzung teilten, dass unrechtmäßig erstattete Kapitalertragsteuern zurückzufordern sind, wurde die Rückforderung zunächst verzögert und nach Rücksprache mit der übergeordneten Finanzbehörde (unter Leitung des heutigen Oberbürgermeisters Tschentscher) ganz vom Tisch genommen. Alle Befragten bleiben bei der Version, dass es keinerlei politische Einflussnahme auf die Finanzbeamt*innen gab – die Zeitleiste der Treffen von Warburg-Vertretern mit dem damaligen OB Olaf Scholz und Co. lässt dies jedoch sehr unglaubwürdig erscheinen. Hier wird hoffentlich der Untersuchungsausschuss in Hamburg Klarheit verschaffen.
Die Bundesregierung macht indes Fortschritte bei der Bekämpfung von Betrugsmodellen mit der Kapitalertragsteuererstattung. Ein Regierungsentwurf des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes setzt einen Vorschlag von Lorenz Jarass und Gerhard Schick teilweise in die Praxis um: Das BZSt soll dem Entwurf nach eine Datenbank anlegen, in der alle Erstattungsrückforderungen besser den zugrundeliegenden Wertpapieren zuordenbar gemacht werden. Dafür müssen zusätzliche Angaben an das BZSt übermittelt werden, etwa die Gesamtsumme aller gutgeschriebenen Kapitalerträge je Wertpapiergattung sowie einbehaltene und bescheinigte Steuern. Hinzu kommt eine Digitalisierung des Prozesses; alle Erstattungsanträge, Steuerbescheinigungs- und weiteren Daten sind digital einzureichen. Auch Cum-Fake-Modelle mit Hinterlegungsscheinen werden adressiert, allerdings weniger rigoros. Es ist keine technische Lösung vorgesehen, sondern schriftliche Statements der Finanzdienstleister über ihren Umgang mit Hinterlegungsscheinen. Somit sollen unrechtmäßige Erstattungen endlich ausgeschlossen werden – die Regelungen gelten allerdings größtenteils erst für Kapitalerträge, die ab 2024 ausgezahlt werden. Als weitere Datenquelle für die neue Task Force werden sämtliche Finanzbehörden verpflichtet, Hinweise auf Steuergestaltungen mit der Kapitalertragsteuer mit erheblicher Bedeutung an das BZSt zu melden. Zuletzt wird die für Cum-Cum-Gestaltungen relevante Missbrauchsklausel an EU-Recht angepasst.
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