Newsletter 2/2023 |
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Die Stunde der Wahrheit? |
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+++Das wahre Gesicht der FDP?+++Berichtssaison aus Sicht der Steuergerechtigkeit+++54% der Betriebsprüferstellen nicht besetzt+++Geldwäsche leicht gemacht+++Neue wissenschaftliche Befragung zu Vermögensteuer und Klimaungleichheitsbericht+++IWF analysiert OECD-Reform aus Sicht von Entwicklungsländern+++
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Der neue Verteidigungsminister fordert mehr Geld. Die Familienministerin hat erste Eckpunkte für die Kindergrundsicherung vorgelegt. Der Gesundheitsminister warnt vor steigenden Kosten bei Krankenversicherung und Pflege. Der Finanzminister will zur Standortförderung Steuern senken. Bei der Frage, was der Staat sich im Haushalt 2024 leisten will und leisten kann, nähern wir uns der Stunde der Wahrheit. Vielleicht war deswegen auch das “nicht abgestimmte” und mittlerweile zurückgezogene Papier der Bundestagsfraktion mit der Forderung nach Steuererhöhung für die Armen (sprich indirekte Steuern) ein erster Blick auf das “wahre” Gesicht der FDP? Bleibt zu hoffen, dass sich die Ampelparteien, wie von der SPD-Chefin angekündigt, am Ende “auf Prioritäten und Wege zu ihrer Finanzierung einigen“, die die Gesellschaft gerechter und zukunftsfähig machen und dass es zumindest bei den umweltschädlichen Steuerregelungen Fortschritte gibt.
Christoph, Julia und Yannick
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Deutsches Steuersystem
Umverteilungspläne der FDP
In der vergangenen Woche lösten Steuerpläne der FDP Diskussionen aus. Ein Positionspapier mit dem Titel „Wirtschaftliche Freiheit anstatt Subventionen – unsere Antwort auf den Inflation Reduction Act“ enthielt Pläne zur Senkung von Gewerbe- und Körperschaftsteuer sowie hoher Einkommensteuersätze. Steuersenkungen für Spitzenverdiener und Unternehmen sind soweit noch keine überraschende FDP-Forderung. Brisant dabei war vor allem das Vorhaben dies aufkommensneutral zu gestalten: Und zwar durch die Anhebung von indirekten Steuern - also etwa der Mehrwertsteuer und der Verbrauchsteuern. Diese Steuern zahlen, gemessen an ihrem Einkommen vor allem ärmere Menschen. Eine Erhöhung würde sie also besonders treffen. Damit legte die FDP ein Rundumpaket zur Umverteilung von unten nach oben vor. Mit Blick auf die aktuelle Inflation, die ärmere Menschen bereits stärker trifft, sind diese Vorschläge besonders verwerflich. Als weitere Möglichkeit der Gegenfinanzierung nennt das Papier außerdem die Streichung von „Ausnahmen vom normalen Mehrwertsteuersatz“. Der reduzierte Steuersatz gilt z.B. auf Grundnahrungsmittel. Das dies nicht gemeint sei, erklärte bereits Lars P. Feld, persönlicher Berater von Finanzminister Lindner. Vielmehr gehe es um die Steuersubventionen, etwa für die Gastronomie oder Hoteliers. Für die Gastronomie beläuft sich die Subvention allerdings auf nur etwa 3 Milliarden Euro und für Hoteliers auf etwa 1,4 Milliarden Euro. Ob das also tatsächlich gemeint war, bleibt fraglich, denn um die Steuersenkung von Spitzenverdienern und Unternehmern zu finanzieren, wäre das viel zu wenig. Allein für die aufkommensneutrale Abschaffung des Rest-Solis, die das Papier explizit nennt, wären über zwölf Milliarden Euro notwendig. In Reaktion auf die starke Kritik wurde das Papier bereits wieder offline genommen. Es handelte sich lediglich um einen unabgestimmten Entwurf, so der stellvertretende FDP-Fraktionschef Christoph Meyer. Bevor das Papier erneut veröffentlicht werde, müsse es die Fraktion beschließen.
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Weitere Nachrichten:
Bislang sind Gewinne aus dem Verkauf von Kryptowährungen vor Ablauf der einjährigen Haltefrist steuerpflichtig. Aktuell prüft erstmals der Bundesfinanzhof diese Regelung (IX R 3/22). Die Richter müssen klären, ob bei Besteuerung von Bitcoin & Co ein strukturelles Vollzugsdefizit besteht. Ein solches würde vorliegen, wenn der Staat die gleichmäßige Besteuerung nicht sicherstellen kann und nur diejenigen Steuern zahlen, die ihre Gewinne ordnungsgemäß melden. Zudem muss das Gericht entscheiden, ob eine digitale Währung ein Wirtschaftsgut darstellt und der Verkauf dieser damit ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft. Die Vorinstanz, das Finanzgericht Köln hatte keine Zweifel an der aktuellen Rechtsausübung (14 K 1178/20). Das Urteil des BFH wird in Kürze erwartet.
Der Bundesfinanzhof hält den Solidaritätszuschlag auf hohe Einkommen und Kapitalerträge nicht für verfassungswidrig (Urteil v. 17. 1.2023, IX R 15/20). Das "ja" zu einer progressiven Besteuerung ist eine wichtige Entscheidung für die Steuergerechtigkeit. Dennoch: Der Teil-Soli sollte für mehr Rechtssicherheit in die Steuertarife integriert werden. Denn ein Wegfall würde die Steuer- und Abgabenquote des typischen Einkommensmillionär noch weiter absenken, wie unsere Rechnungen zeigen.
Der Bundesrechnungshof fordert Finanzminister Lindner auf, Steuervorteile für Landwirtschaftsfahrzeuge umgehend zu streichen. Es geht dabei um Ermäßigungen bei der Kfz-Steuer von rund einer Milliarde Euro jährlich. Eine eigens vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Studie kam zu dem Ergebnis, dass mehrere Vergünstigungen, u.a. mit Blick auf die Nachhaltigkeit, nicht mehr angemessen seien oder ihr Ziel bereits erreicht hätten.
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Unternehmenssteuern
Berichtssaison an der Börse aus Sicht der Steuergerechtigkeit
Jedes Jahr Anfang Februar legen viele große börsennotierte Konzerne ihre Geschäftsberichte vor. Das Ergebnis: große Übergewinne mit kleiner Übergewinnsteuer bei den Mineralölkonzernen, Gewinn-Knick bei den Digitalkonzernen und ein paar Milliarden Dollar Extrasteuern für Google wegen geänderter Abschreibungsbedingungen:
Die fünf großen westlichen Ölmultis (Shell, BP, Total, ExxonMobil, Chevron) machten 2022 zusammen einen Gewinn von fast 200 Milliarden US-Dollar. Mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr und immer noch 50 Prozent mehr als der bisherige Rekord. Bei einem Gewinn von knapp 40 Milliarden US-Dollar (+ 20 Mrd.) rechnet Shell mit einer europäischen Übergewinnsteuer von 1,9 Milliarden US-Dollar und will ähnlich wie im Vorjahr 3,4 Mrd. US-Dollar in Erneuerbare investieren. Der größte Teil des Rests fließt über Aktienrückkäufe zurück an die Aktionäre.
Von den Big 5 “Digitalkonzernen” aus unserem Fortschrittsindikator haben Meta, Alphabet und Amazon neue Berichte vorgelegt. Für Apple und Microsoft endet das Geschäftsjahr später. Alle drei haben sinkende Gewinne und Entlassungen verkündet. Während bei Alphabet und Amazon die Einnahmen nur langsamer wuchsen als die Kosten, sind sie bei Meta sogar gefallen. Aber nur Amazon verbuchte einen Verlust. Zwar überstiegen die Gewinne aus dem Cloud-Geschäft (AWS) die operativen Verluste beim Marktplatz, aber Bewertungsverluste von mehr als 10 Milliarden US-Dollar auf die Beteiligung am Autohersteller Rivian führten unterm Strich zu einem negativen Ergebnis. Die Steuerquote fiel leicht bei Alphabet und stieg bei Meta. Eine 2017 beschlossene und 2022 in Kraft getretene Veränderung bei den Abschreibungsbedingungen für Softwareentwicklung führte zu mehreren Milliarden Dollar vorgezogener Steuerzahlungen bei Alphabet.
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Weitere Nachrichten:
- Präzedenzfall im Kampf gegen Gewerbesteueroasen? Beim Landesarchiv Duisburg wurde lange wegen Korruption ermittelt. Jetzt soll der umstrittene Projektentwickler wegen Gewerbesteuerhinterziehung angeklagt werden. Er hatte die hoch profitablen Grundstücksrechte an eine GmbH in der notorischen Steueroase Grünwald (bei München) ausgelagert. Ermittlungen ergaben einem Bericht zufolge aber, dass die Geschäftstätigkeit nicht dort stattfand. Die Verteidigung widerspricht. Das Ergebnis des Streits hat große Signalwirkung für die Regierung in NRW genauso wie den Bund, die beide Hinterziehung bekämpfen wollen, statt die Regeln zu ändern.
- Übergewinnsteuer als langfristige Weiterentwicklung der Gewinnbesteuerung sinnvoll: zu diesem Schluss kommt jetzt auch Dominika Langenmayr (€), nachdem sie zusammen mit dem wissenschaftlichen Beirat des BMF die Steuer als Kriseninstrument noch abgelehnt hatte - u. a. aus Sorge um das Vertrauen ins Steuersystem. Zu einem ganz ähnlichen Schluss kam übrigens auch ein IWF-Papier vom September 2022: eine international koordinierte Steuer auf Übergewinne (im Sinne von Monopolrenditen und anderen “economic rents”) sollte die nächste Evolutionsstufe der Unternehmenssteuer sein. Russlands Version einer Übergewinnsteuer ist damit aber eher nicht gemeint.
- Globale Mindeststeuer ist (fast) fertig: Am 2. Februar 2023 hat die OECD mit der “Agreed Administrative Guidance” den letzten Teil der Implementierung für die globale Mindesteuer veröffentlicht. Unter den Antworten auf viele technische Detailfragen findet sich u.a. eine Übergangslösung für die US-Mindesteuer (GILTI) - sie soll in den Ländern mit den niedrigsten Steuersätzen als "Steuerzahlung" angerechnet werden, erhöht dort den errechneten Steuersatz und reduziert die fällige Mindeststeuer - und weitere, nicht abschließende Details zur Qualified Domestic Minimum Top-up Tax.
- Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer weiter schwer zu schätzen: Wie im letzten Newsletter berichtet, hat die OECD ihre Schätzung zu den erwarteten Mehreinnahmen aus der globalen Mindeststeuer gerade erst fast verdoppelt. Die US-Tax Foundation (Bund der Steuerzahler-like) hat die Einnahmeschätzungen aus verschiedenen Ländern zusammengetragen. Die erwarteten Mehreinnahmen schwanken stark zwischen 2 und 12 Prozent. Ein neues IWF-Papier kommt auf 5,7 Prozent und damit deutlich weniger als die OECD Schätzung von 9 Prozent.
- Russland jetzt Steueroase: Als ob es noch einen Beweis brauchte, dass die schwarze Liste der EU politisch ist. Jetzt steht dort Russland neben den britischen Jungferninseln und 14 weiteren Staaten, weitere sind grau gelistet.
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Steuerverwaltung und Cum-Ex
Schlaglicht auf Besetzungslücke in Betriebsprüfung: 54 Prozent!
Ein Schlaglicht auf die teilweise katastrophale personelle Ausstattung der Länderfinanzverwaltungen im Bereich der Betriebsprüfung wirft eine Anfrage in Bremen: Dort sind vom durch die Personalbedarfsberechnung bestimmten Personalsoll in Höhe von 189 Vollzeitäquivalenten nur knapp 87 besetzt – eine Besetzungslücke von 54 Prozent! Generell haben in Bremen wie auch in vielen anderen Bundesländern die Prüfquoten und Mehreinnahmen unter einem Coronaknick gelitten. Während der Pandemie waren etwa Außenprüfungen kompliziert und Personal wurde anderweitig eingesetzt. Ziel der Länderfinanzverwaltungen sollte daher sein, mindestens den – oft bereits niedrigen – Stand vor der Krise wiederherzustellen und nicht die Negativtrends vom neuen Post-Corona-Stand fortzuschreiben. Dass es anders geht, zeigt eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zur Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Laut Antwort der Bundesregierung hat sich seit 2014 die personelle Ausstattung der FKS von 5.983 auf 8.340 Mitarbeiter stark verbessert. Zum Vergleich: Die FKS ist somit mehr als dreimal so stark aufgestellt wie die Steuerfahndung mit ihren knapp 2.500 Mitarbeitern.
In Sachen Cum-Ex ist insbesondere eine Bestätigung der Staatsanwaltschaft Köln von hoher Relevanz: Sie befasst sich auch umfangreich mit Cum-Cum-Geschäften, zumindest insofern sie Teil ihrer Ermittlungen zu Cum-Ex-Fällen sind. „Im Prinzip lässt sich sagen, dass wir in allen anhängigen Cum-ex-Verfahrenskomplexen die Beweismittel auch auf Cum-cum-Sachverhalte prüfen und auswerten“. Die beiden Steuerhinterziehungsmodelle wurden in der Praxis oft miteinander kombiniert. Bei Cum-Cum verschieben ausländische Anleger ihre Aktien vor der Dividendenausschüttung ins Inland, um unrechtmäßig Steuern zu sparen. Bei Cum-Ex ließen sich Anleger Steuern erstatten, die sie nie gezahlt hatten. Der Steuerschaden durch Cum-Cum-Geschäfte wird mit mindestens 28,5 Milliarden Euro als mehr als doppelt so hoch wie der Schaden durch Cum-Ex geschätzt – und bei Cum-Cum steht die Aufarbeitung noch ganz am Anfang.
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Weitere Nachrichten:
Der Hamburger Verfassungsschutz hatte bei der Anstellung des jetzigen Arbeitsstableiters des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses auf Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit Russland-Verbindungen hingewiesen. Diesen Vorgang hat die Bürgerschaftskanzlei dem Parlament jedoch verschwiegen und trotz der Bedenken eine Sicherheitsfreigabe erteilt. Die Folgen für den Untersuchungsausschuss sind noch unklar.
KPMG Law trennt sich nach nur sechs Monaten von einem Partner, der marktbekannt in Cum-Ex-Beratungen eingebunden war. Anfang Januar waren die Büros von KPMG Law in Frankfurt sowie die Privatwohnung des Beschuldigten durchsucht worden.
Anklage gegen vier Fondsmanager von Duet wegen Cum-Ex wurde vom LG Bonn zugelassen. Schon am 20. März soll der Prozess gegen einen der vier Verfolgten beginnen.
Der ehemalige Prokurist der Warburg-Bank ist mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung zu fünfeinhalb Jahren Haft wegen seiner Beteiligung an den Cum-Ex-Geschäften der Bank gescheitert.
Die unionsgeführten Bundesländer blockieren das vom Bundestag beschlossene Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern.
ProPublica hat erneut eine wunderbare Story gewoben, die auf Basis der ihnen vorliegenden Steuerakten die wenig bekannten Wege der Superreichen illustriert, ihre Steuern jahrelang auf nahezu Null zu reduzieren.
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Schattenfinanz und Geldwäsche
Libanesisches Geld, Schweizer Bank, Europäische Immobilien - Geldwäsche leicht gemacht
Mit großen Mühen wühlt sich die FIU durch hunderttausende Geldwäscheverdachtsanzeigen, mehrere hundert Aufsichtsbehörden versuchen Geldwäscheprävention zu überwachen und in tausenden Fällen werden kleine “Geldesel” für ihre Dienste belangt. Dabei könnte Geldwäschebekämpfung so einfach sein. Wenn die Beteiligten - in diesem Fall die HSBC in der Schweiz - denn wollten. Das zeigt ein u.a. auf Gerichtsunterlagen aus Frankreich basierender Bericht zum Fall des libanesischen Zentralbank-Chefs Riad Salameh. Demnach hatte dieser 2002 veranlasst, dass “seine” Bank einen Vertrag mit einer Briefkastengesellschaft aus den britischen Jungferninseln unterzeichnet. In den nächsten Jahren landeten dort knapp 330 Millionen US-Dollar an Provisionen ohne erkennbare Gegenleistung und flossen weiter an das Schweizer Konto von Raja Salameh, seinem Bruder, und von dort über mehrere Stationen weiter bis zur Immobilie in Deutschland. Der HSBC, als kontoführender Bank für die BVI-Gesellschaft, kam das dem Bericht zufolge erst 2015 komisch vor. Sie hatte sich bis dahin als Begründung für das Einkommen einen Vertrag vorlegen lassen, aber anscheinend nicht kontrolliert, wer den unterzeichnet hat und auch nicht nachgefragt, warum keine Gehälter oder Ausgaben zur Vertragserfüllung anfielen. Dieser Fall zeigt einmal mehr: Deutschland kann nicht allein darauf warten und hoffen, dass die Schweizer Banken und deren Aufsichtsbehörden ihre Pflicht tun, sondern muss proaktiv prüfen, wo das Geld für den Kauf deutscher Immobilien herkommt. Ein paar Dutzend Ermittler für komplexe und länderübergreifende Finanzflüsse könnten hier einen riesigen Unterschied machen.
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Weitere Nachrichten:
Geschäftsmann mit dubiosen Verbindungen: In einer ausführlichen Analyse zeigt OCCRP die dubiosen Machenschaften des Geschäftsmanns hinter der Klage gegen das luxemburgische Transparenzregister. Sie führen unter anderem auf die britischen Jungferninseln und zu seltsamen Krediten an das Privatjet-Unternehmen.
Gemeinsam anpacken - in Frankfurt: Mit eigener Website (verfügbar in Deutsch und Englisch), großem Bild von Christian Lindner und Testimonials von ein paar Bankvertretern wirbt das BMF für die Ansiedlung der europäischen Geldwäschebehörde in Frankfurt.
Nach elf Jahren: Anstatt 1.000€ Strafe erhält Whistleblower Raphael Halet (Lux Leaks) nach einem Urteil des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jetzt 55.000€ Schadensersatz für den Eingriff des luxemburgischen Staates in seine Meinungsfreiheit. (Link)
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Vermögen, Erbschaften, hohe Einkommen
Breite Mehrheit für Vermögensteuer mit hinreichenden Freibeträgen
Zunehmende Vermögensungleichheit und angespannte öffentliche Haushalte lassen die Rufe zur Einführung einer Vermögensteuer lauter werden. Studien belegen regelmäßig, dass die Mehrheit der Bevölkerung diese befürwortet. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle Untersuchung des Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Deutschland, den USA und Großbritannien. Die Forscher*innen haben sich zudem der Frage zugewendet, wie sich die Bürger eine Netto-Vermögensteuer konkret vorstellen - denn darüber ist bisher wenig bekannt. Betrachtet wurden dabei Freibetrag, Steuersatz und Steuereinheit (Einzelperson, Ehegatten oder Haushalt). Die Ergebnisse bestätigen zunächst, dass sich eine deutliche Mehrheit in allen drei Ländern eine Steuer auf Vermögen wünscht - in Deutschland sprachen sich 86 Prozent dafür aus. Tendenziell bevorzugt wurde ein Steuersatz von zwei Prozent. Wichtiger als die Steuereinheit und der Steuersatz war den Befragten allerdings die Höhe des Freibetrags. Die Anhebung des Freibetrags von einer halben Million auf ein oder zwei Millionen erhöhte die Zustimmungswerte deutlicher als eine Anpassung anderer Stellschrauben. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Die Zustimmung sinkt drastisch, wenn das eigene Vermögen den vorgeschlagenen steuerfreien Betrag übersteigt. Die Besteuerung soll demnach nur bei den sehr Wohlhabenden erhoben werden. Insgesamt weichen die Ergebnisse in den drei Ländern nur unwesentlich voneinander ab. Das lässt den Schluss zu, dass sich die Präferenzen nicht aus dem aktuellen Steuersystem eines Landes ableiten lassen.
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Weitere Nachrichten:
Das World Inequality Lab liefert mit dem Climate Inequality Report 2023 neue Argumente für die stärkere Besteuerung der Superreichen. Die Analyse zeigt: Wie hoch ein CO₂-Fußabdruck ist, hängt mittlerweile weniger davon ab, wo ein Mensch lebt, als davon, ob er innerhalb seines Landes zu den Armen oder Reichen gehört. Oft wird behauptet, dass die Bekämpfung von Armut zwangsläufig zu einer Zunahme von Emission führen wird. Dem hält der Bericht entgegen, dass es genügend Spielraum für die ärmsten Menschen gibt, ihre Emissionen zu erhöhen, um Wohlstand zu erreichen, wenn die Reichen weltweit ihren Ausstoß reduzieren. Der gerechteste und effektivste Weg zu globalem Klimaschutz liegt der Studie nach u.a. darin, die Vermögensungleichheit durch stärkere Besteuerung zu verringern.
Eine Klimasteuer für Reiche wird in Deutschland noch nicht ernsthaft diskutiert. In Kalifornien wurde darüber bereits unter dem Titel Proposition 30 abgestimmt. Durch eine Erhöhung der Einkommensteuer um 1,75 % auf Einkommen oberhalb von zwei Millionen Dollar sollen zusätzlich 3,5 bis 5 Milliarden Dollar eingenommen werden, die unmittelbar in den Kampf gegen den Klimawandel fließen könnten. 58 Prozent der Kalifornier stimmten gegen die Klimasteuer. Die Geschichte dahinter, gibt es HIER.
Die Erben des Getty-Vermögens suchten einst nach einer Vermögensverwaltung, die ihr Gewissen beruhigt. Nun legt der Streit mit einer ehemaligen Angestellten dynastische Geheimnisse offen. Der Blick des New Yorkers geht aber über den konkreten Einzelfall hinaus und beschreibt vielmehr das "goldene Zeitalter der Steuervermeidung". Neben der zunehmenden Vermögenskonzentration liegen die Wurzeln vor allem in der Expansion der "Vermögensverteidigungsindustrie" – einer Branche, die sich auf aggressive Steuervermeidung und dynastische Vermögensnachfolge konzentriert.
Die Bürgerbewegung Finanzwende teilt regelmäßig aus. Und zwar Finanzschellen. Den Negativ-Preis erhält diesmal Christian Lindner. Während er sich üblicherweise auf das Leistungsprinzip, die wissenschaftliche Forschung und die Verfassung beruft, verteidigt er gleichzeitig die Steuerprivilegien für Firmenerben. Und die fördern nicht nur die soziale Ungleichheit, sondern stellen leistungsloses Einkommen über Arbeitseinkommen, sind wirtschaftsschädlich und wurden wiederholt für verfassungswidrig erklärt. Die Finanzschelle gibt es HIER.
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Steuern und Entwicklung
IWF analysiert OECD-Reform aus Sicht von Entwicklungsländern
Auf sehr lesenswerten 40 Seiten fasst ein aktuelles IWF-Papier die Debatte um die internationale Unternehmenssteuerreform und weitere steuerliche Maßnahmen aus Entwicklungsländerperspektive zusammen. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die OECD-Reform zwar zu Zusatzeinnahmen führt, die aber bei weitem nicht ausreichen werden um die Finanzierungsbedarfe für nachhaltige Entwicklung zu erfüllen. Das Paper kommt zu dem Schluss, dass die derzeitige Lösung wegen vieler Einschränkungen (zu niedrige Mindeststeuer, zu geringe Umverteilung von Besteuerungsrechten, Komplexität) nur “low-medium” für Entwicklungsländer geeignet ist. Basierend auf einer Analyse der Doppelbesteuerungsabkommen erwartet es kaum zusätzliche Einnahmen aus der in Säule 2 enthaltenen Quellensteuer (STTR) und nennt Regelungen der UN als Alternative. Es empfiehlt den Entwicklungsländern, neben der Mindeststeuer weitere nationale Abwehrmaßnahmen wie z.B. die in 50 Ländern eingesetzte Alternative Mindeststeuer oder eine Zinsschranke einzuführen und problematische Doppelbesteuerungsabkommen vor allem im Hinblick auf Quellensteuern für Dienstleistungen neu zu verhandeln. Als ein mögliches Ergebnis der UN-Verhandlungen schlägt das Papier eine dritte Reformsäule vor, die sich vor allem darauf konzentriert Richtlinien für simple nationale Abwehrmaßnahmen im Sinne der Entwicklungsländer zu entwickeln, diese zu koordinieren und problematische Doppelbesteuerungsabkommen gezielt zu beseitigen. Um die Finanzbedarfe zu decken schlägt der IWF neben der obligatorischen Mehrwertsteuer vor Immobilien zu besteuern und Steuerausnahmen zu reduzieren.
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Weitere Nachrichten:
UN veröffentlicht Kalender für UN Tax Report und lädt zur Konsultation. Stellungnahmen können bis zum 10.3. abgegeben werden.
Die Bundesregierung hat laut einer Kleinen Anfrage seit 2000 ausländischen Staaten Schulden in Höhe von 15 Milliarden Euro erlassen. Die höchsten Schulden bei der Bundesrepublik haben zurzeit Ägypten (1,65 Milliarden), Indien (1,35 Milliarden), Pakistan 1 Milliarde), China (991 Millionen) und Simbabwe (833 Millionen).
Die Friedrich-Ebert-Stiftung fasst in einem Blogbeitrag die Kernpunkte ihrer Veranstaltung zum Thema Staateninsolvenzverfahren zusammen.
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Veranstaltungen:
26.2. 14.00 - 15.30 Uhr (Berlin):
Wirtschaftssalon von und mit Nicolas Lieven, Steuern: Ungleichverteilte Belastung oder demokratische Ermöglichung? Im Gespräch mit Julia Jirmann
Ort: Amerika Gedenk Bibliothek
1.3. 17.00 - 19:30 Uhr (Griechenland/Online): Tax Justice & Energy Crisis: How to Tax Windfall Profits: https://www.taxobservatory.eu/events/
Dreiteilige Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der RLS-Hamburg “Zeit für Veränderung: Besteuerung im Krisenzeitalter”
30.03. 19:00 - 21:00 Uhr (Hamburg): Übergewinnsteuer: Umverteilung in der Krise. Diskussion mit Raoul Didier (DGB), Dr. Sarah Godar (EU Tax Observatory), Dr. Monika Wünnemann (BDI), Christoph Trautvetter (NWSG) (Link)
7.3 17.30–18.30 Uhr (Online): Diskussion zur Soli-Entscheidung des BFH mit Michael Schrodi, MdB (SPD), Sebastian Brehm, MdB (CSU), Maximilian Mordhorst, MdB (FDP), Reiner Holznagel (Bund der Steuerzahler Deutschland e. V.) und Prof. Dr. Henning Tappe (Universität Trier) unter der Moderation von Eva Greil und Berthold Welling (IfSt) (Teilnahme ohne Anmeldung)
21.3. 16Uhr (Online): Domestic Revenue Mobilization programme Fiscal states – the origins and developmental implications. (Link)
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