Gabriela Adameșteanu verdichtet in ihrem 1984 auf Rumänisch erschienenen Roman Verlorener Morgen die Geschichte Rumäniens im 20. Jahrhundert aus dem Blickwinkel eines zur Bedeutungslosigkeit herabgesunkenen Bürgertums. Die Haupthandlung des dichten, an Proust erinnernden Texts beschränkt sich auf einen Tag. Da ist einerseits eine saturierte Bukarester Familie mitten im Ersten Weltkrieg, der die rasche ‚Verdorbenheit des Morgens‘, des überstürzten Aufbruchesm nur allzu schnell bewusst wird. Ihr gegenüber stehen – gewissermaßen die zeitliche Klammer bildend – die kümmerlichen Reste derselben Familie annähernd ein halbes Jahrhundert später in der sozialistischen Republik Rumänien, kurz vor der Machtübernahme durch Nicolae Ceaușescu. Das Bürgertum ist desavouiert und selbst das Proletariat – in Person der ehemaligen Schneiderin Vica Delcă – gehört zu den Verlierern des Morgens. Verarmt und perspektivlos hängen sie ungeachtet ihrer Gegensätzlichkeit aneinander.
Wie könnte man abstreiten, dass dieses Volk die demokratische Konstitution zu früh bekommen hat, da es noch nicht erfahren, was Freiheit bedeutet, was Demokratie bedeutet, und beides missbraucht? […] Gerade erst ist der Himmel aufgeklart und bei der ersten Wolke wird die Sonne wieder verschwinden. Ein schöner Morgen … verdorben … verloren …
Professor Mironescu über die politische Situation seiner Zeit, das Königreich Rumänien während des Ersten Weltkrieges (S. 321 u. 326)
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