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Newsletter 6/2020

Inhalt

1. Einleitung  

2. Überblick aus Presse und Wissenschaft zu unseren Arbeitsbereichen         

         2.1 Vermögen- und Erbschaftssteuer

         2.2 Steuern und Entwicklung

         2.3 Steuerbehörden und Steuerbetrug

         2.4  Unternehmenssteuern               

         2.5 Geldwäsche

3. Publikationen             

4. Termine

1. Einleitung

Liebe steuerpolitisch Interessierte,

Trotz der Sommerpause in vielen Institutionen gibt es einige Neuigkeiten aus der nationalen und internationalen Steuerpolitik. In dieser Newsletter-Ausgabe mit dabei: Die Vermögensungleichheit in Deutschland ist größer als gedacht; die EU-Kommission verliert ihre gerichtliche Auseinandersetzung mit Apple; durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz sind (neben einigen positiven Änderungen) hunderte von Millionen von verjährten Cum-Ex Fällen vermutlich endgültig verloren; und die Zoll-Spezialeinheit FIU steht wegen Strafvereitlung im Amt unter Verdacht.

Eine künstlerische Empfehlung gleich zu Beginn: Massive Attack haben einen Audiobeitrag des wichtigen Steuerforschers Gabriel Zucman zu einem Musikstück geformt – das Video hat schon fast 100.000 Aufrufe.

Intern bereiten wir uns gerade auf unsere jährliche Mitgliederversammlung am 17. September vor, bei der es abends auch einen virtuellen öffentlichen Teil geben wird. Geplant ist ein Format, bei dem verschiedene Expert*innen kurze Schlaglichter auf aktuelle steuerpolitische Herausforderungen werfen. Genauere Ankündigungen folgen im nächsten Newsletter Ende August.

2 Neues aus Presse und Wissenschaft zu unseren Arbeitsbereichen

2.1 Vermögens- und Erbschaftssteuer

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat neue Daten zur Vermögensverteilung in Deutschland generiert und analysiert. Ergebnis: Es besteht eine sehr viel größere Ungleichheit als bisher angenommen: Die reichsten 0,1 Prozent besitzen 20 % aller Vermögen (vorher angenommen: 7 %), die Top 1 Prozent besitzen 35 % (vorher 22 %), die Top 10 Prozent besitzen 67 % (vorher 59 %) und die unteren 50 besitzen lediglich 5 %. Spannende Twitter-Threads zum Thema kamen vom DIW-Forscher Marcel Fratzscher: Vermögen & Erbschaften.

    Die neue Reichenliste des Forbes-Magazin zeigt, wie die auf Betriebsvermögen beruhenden Gesamtvermögen der Superreichen in der Coronakrise extrem schwanken – oft allerdings mit riesigen Zuwächsen. Der zweitreichste Deutsche, Lidl-Gründer Dieter Schwarz, hat sein Vermögen so innerhalb eines Jahres von 22,6 auf 34,5 Milliarden Dollar gesteigert. Auf internationaler Ebene schreien die Daten ebenfalls geradezu nach einer Extrasteuer für Krisengewinnler: Der reichste Mann der Welt, Amazons Jeff Bezos, konnte sein Vermögen von 114 Milliarden (Oktober 2019) auf nunmehr 181 Milliarden Dollar steigern. Zum Vergleich: Das ist etwas höher als die gesamte Wirtschaftsleistung von Kasachstan. Auch unter Superreichen wächst in der Coronakrise scheinbar die Erkenntnis, dass sie mit höheren Steuern mehr zu einer gesunden Gesellschaft beisteuern sollten.

    2.2 Steuern und Entwicklung

    Das Center for Global Development hat seinen neuen Commitment to Development Index veröffentlicht. Deutschland belegt im Vergleich der 40 untersuchten Geberländer den fünften Platz. Spannend ist besonders die Rolle Chinas, das trotz seiner öffentlich weit diskutierten Kredite rund um die Seidenstraße sehr schlecht bezüglich Entwicklungsfinanzierung (und im Gesamtranking) abschneidet.

    Um Länder des Globalen Südens angesichts der Coronakrise zu entlasten, fordert Oxfam in einer Petition: „Schulden streichen, Leben retten“. Ein ergänzender offener Brief an Finanzminister Scholz, an den sich auch die Petition richtet, ist von zahlreichen internationalen Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen unterschrieben.

    Unterdessen bereitet sich das Netzwerk Steuergerechtigkeit darauf vor, Öffentlichkeit für Zwischenbericht des FACTI-Panels zu generieren und seine Themen in die Politik zu tragen. Das Panel beschäftigt sich primär mit finanzieller Transparenz in Bezug auf Korruption und Steuerverluste auf globaler Ebene. Geplant ist die Veröffentlichung dieses ersten Berichts für Oktober; einige Hintergrundpapiere sind bereits online verfügbar.

    2.3 Steuerbehörden und Steuerbetrug

    In Sachen Steuerbetrug hat die Bundesregierung mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz die Verfolgung von Steuerstraftaten erleichtert. Mehrere Verjährungsfristen wurden verlängert sowie ein früherer Fehler in der Gesetzgebung korrigiert: Taterträge dürfen nun auch bei Steuerstraftaten eingezogen werden, obwohl sie strafrechtlich verjährt sind. Schon 2017 war dies intendiert, das Gesetz zur Reform der Vermögenseinziehung jedoch unzulänglich formuliert.

    Also alles gut? Nein, denn um Verfassungsbeschwerden vorzugreifen, hat die Bundesregierung in einer Klausel festgelegt, dass bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits verjährte Fälle nicht betroffen sind. Die kostspielige Folge: Hunderte Millionen Euro an Cum-Ex-Schäden sind damit wohl endgültig verloren. Ob angesichts verfassungsrechtlicher Bedenken und unterbesetzten Finanz- und Strafverfolgungsbehörden diese Gelder auch ohne die Klausel noch hätten wiedererlangt werden können ist fraglich. Dass die Bundesregierung erst gar nicht versuchen will, ist jedoch ein fatales Signal an die Finanzkriminellen von morgen.

    Unterdessen rüffelt der Bundesrechnungshof die unzureichenden Maßnahmen der Bundesregierung gegen Cum-Fake, eine Spielart der Cum-Ex-Geschäfte. Es sei nun "unerlässlich, dieses Modell zu unterbinden".

    Neu auf dem Blog Steuergerechtigkeit ist außerdem die Aufarbeitung der sogenannten Goldfinger-Modelle, mit denen dem Fiskus Millionen vorenthalten wurden. Esther Schüttpelz meint: Zwar sind die Geschäfte mittlerweile gerichtlich als legal anerkannt; damit sind jedoch nicht alle Steuerberater, welche die dubiosen Deals gemanagt haben, vom Haken.

    2.4 Unternehmenssteuern

    In der Auseinandersetzung um das Steuermodell von Apple in Irland hat die europäische Kommission vorerst eine Niederlage einstecken müssen: Ein EU-Gericht erklärte die riesige Steuernachforderung von 13 Milliarden Euro für ungültig. Mehr zu dem Thema, wie Unternehmenssteuervermeidung innerhalb der EU angegangen werden sollte, in unserem Blog.

    Die Forderung nach öffentlicher länderbezogener Berichterstattung begleitet das Netzwerk bereits seit vielen Jahren. Anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft haben die Grünen in einem offenem Brief eine erneute Abstimmung dazu gefordert – dessen Hintergrund Yannik Bendel in einem Gastbeitrag auf unserem Blog erläutert.

    Am 7. Juli hat die OECD aggregierte Daten aus den länderbezogenen Berichten von Unternehmen aus 15 Ländern veröffentlicht. Die Niederlande und Luxemburg haben keine detaillierte Aufschlüsselung geliefert. Auch Deutschland war wegen der zu spät verabschiedeten Rechtsgrundlagen nicht dabei. (zugänglich sind die Daten hier). Das Tax Justice Network findet insgesamt 476 Mrd. US-Dollar verschobene Gewinne (ganz oben: die Niederlande und Bermuda), die nur mit 14,8 Mrd. US-Dollar besteuert werden, während sie zu Hause mit 117 Mrd. US-Dollar besteuert würden. Hier gibt es eine sehr interessante Übersicht der Grenzen der Daten.

    Zudem gab es spannende neue Forschungsergebnisse: Laut einer neuen Studie von Ökonomen der Universität Duisburg-Essen nutzen Unternehmen mit starker Mitbestimmung von Beschäftigten seltener Instrumente aggressiver Steuervermeidung. In einer weiteren Publikation zeigt Henning Lenz, dass die bereits in den USA eingesetzten Mechanismen GILTI, FDII und BEAT, mit denen Auslandsgewinne von Unternehmen adäquater besteuert werden sollen, die effektiven Steuersätze der großen Digitalfirmen in der Realität kaum erhöhen. Die OECD sollte mit BEPS 2.0 also weit über die Vorlagen der USA hinaus gehen.

    2.5 Geldwäsche

    Schon lange wird der Zoll-Spezialeinheit Financial Intelligence Unit (FIU) vorgeworfen, dass sie relevante Geldwäscheverdachtsmeldungen zu langsam oder gar nicht weiterleiten. Jetzt wird der Vorwurf der Strafvereitlung im Amt konkret: Weil verdächtige Überweisungen von 1,7 Millionen Euro von mehreren deutschen Banken nach Afrika (Online-Betrug?!) nicht rechtzeitig gemeldet wurden, wurde die FIU jetzt im Auftrag der Staatsanwaltschaft Osnabrück durchsucht. Die EGMONT-Group, die internationale Vereinigung der anti-Geldwäsche Spezialeinheiten, kritisierte Deutschland, weil FIUs unabhängig sein sollten.

    Correctiv hat die Ergebnisse einer weiteren Immobilieneigentümerrecherche vorgestellt – diesmal München, Augsburg, Würzburg – und wieder gibt es eine Reihe anonymer Eigentümer, zum ersten Mal auch eine LLC aus Delaware. Die Ergebnisse dienten als Inspiration für eine sehr lesenswerte Analyse von Immobiliengeldwäsche aus Sicht eines Drogendealers. Schön geschrieben, facettenreich und viel Stoff zum Nachdenken!

    Dubai stand zurecht wiederholt im Fokus. Zum Ersten mit der Untersuchung der Financial Action Task Force (FATF); zum Zweiten beleuchtet Hannah Steinharter im Handelsblatt die Attitüden deutscher Unternehmer, die es in die Steueroase zieht; zum Dritten hat die Carnegie Foundation, u. a. eine langjährige FBI-Ermittlerin beauftragt, sich Dubai genauer anzuschauen. Sie kommt zu dem Schluss: „Afghanische Kriegsherren, russische Mafiosi, nigerianische korrupte Beamte, europäische Geldwäscher, iranische Sanktionsbrecher und ostafrikanische Goldschmuggler finden in Dubai eine günstige Ausgangsposition.“ Ihre Schlussfolgerung: Die Probleme sind bekannt, es fehlt jedoch der politische Wille etwas dagegen zu unternehmen.

    3. Publikationen

    Studie: Besteuerung von Digitalkonzernen. Werden die OECD-Reformen Google und Co. zur Kasse bitten? Im Auftrag der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. Autor: Henning Lenz.(32 Seiten).

    4. Termine

    Für die Teilnahme an AGs bitte anmelden unter info@netzwerk-steuergerechtigkeit.de

    30.08.20, 12:30-15:30: Visiting the Invisible: A Berlin City Tour to Anonymous and Aggressive Real Estate Investors

    (EN) Geführte Tour mit Christoph Trautvetter. Es wird aufgezeigt, wie undurchsichtige Briefkastenfirmen und Immobilienspekulationen Menschen aus ihren Häusern vertreiben - und was dagegen getan werden kann. Der Rundgang stützt sich auf Ergebnisse des Projekt „Wem gehört die Stadt“ der Rosa-Luxemburg Stiftung.

    Anmeldung hier.

    02./03.09.20 (virtuell): GIZ Global Forum on Illicit Financial Flows and Sustainable Development

    Teilnahme auf Einladung.

    07.09.20; 14-15:30 Uhr: AG Steuern und Entwicklung

    17.09.20; 17:30-19 Uhr: Jahresversammlung Netzwerk, Austausch und Diskussion mit Expert*innen

    Weitere Infos und Zugangsdaten folgen im nächsten Newsletter.

    Netzwerk Steuergerechtigkeit

    c/o WEED e.V., Eldenaer Str. 60, 10247 Berlin

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