Vermögen, Erbschaften, hohe Einkommen
Wenn sich superreiche Erben ihr Vermögen nicht leisten können
Die neue Erbschaftsteuerstatistik für das Jahr 2022 ist da und suggeriert steigende Steuereinnahmen sowie stark gestiegene Steuersätze auf Großvermögen. Tatsächlich ist die Statistik aber irreführend, weil ein großer Teil der dort ausgewiesenen Steuern auf große Übertragungen im Nachgang wieder erlassen wurde. Das zeigt unsere Anfrage beim Statistischen Bundesamt nach den neuen Zahlen zum Steuererlass nach der sogenannten Verschonungsbedarfsprüfung. Demnach erhielten im Jahr 2022 24 „bedürftige” Groß-Erb*innen und Beschenkte einen Steuererlass von knapp 1,5 Milliarden Euro. Und auch ein Blick in die kassenmäßigen Steuereinnahmen zeigt: Insgesamt sind die Einnahmen bei der Erbschaftsteuer sogar erstmals seit fünf Jahren rückläufig.
Hintergrund: Im Jahr 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die weitreichenden Ausnahmen für Firmenerb*innen, insbesondere für sehr große Vermögen, für verfassungswidrig erklärt. Infolge wirksamer Lobbyarbeit hat der Gesetzgeber die Befreiungsmöglichkeiten auf Vermögen oberhalb von 26 Millionen Euro beschränkt, aber gleichzeitig die Möglichkeit des Steuererlasses aufgrund von „Bedürftigkeit” geschaffen. Durch gezielte Umstrukturierung des Vermögens vor der Schenkung oder etwa durch Übertragung auf eine „arme” Familienstiftung kann die Bedürftigkeit für das Finanzamt gezielt erreicht werden. Im Ergebnis bleibt die Erbschaftsteuer damit stark regressiv. Alles Weitere dazu erklären wir hier.
Deutlich spannender ist aus unserer Sicht deswegen ein anderes Verfahren, in dem ein privater Kläger die Verfassungsmäßigkeit der Privilegien für Firmenerben anzweifelt. Dem haben wir uns in einer ausführlichen Stellungnahme angeschlossen.
Ähnlich wie in Bayern ist die Erbschaftsteuer übrigens auch in Großbritannien Wahlkampf-Thema. Eine aktuelle Umfrage dazu zeigt: Ähnlich wie die Deutschen lehnen die Briten die Steuer zwar prinzipiell und mehrheitlich ab, meinen damit aber lediglich ihre eigenen, kleinen Erbschaften. Große Erbschaften (je nach eigenen Erbschaftserwartungen meinen die Befragten damit Beträge jenseits von 50.000 und 500.000 Pfund bzw. jenseits des Familienheims) wollen sie besteuern. Die Abschaffung oder Senkung der Steuer im britischen Wahlkampf zum Gewinner-Thema zu machen, funktioniert demnach – wie wahrscheinlich auch in Deutschland – nur mit der Verbreitung von Mythen. Eine aufgeklärte Bevölkerung würde mit großer Mehrheit die Abschaffung von Steuerprivilegien für große Erbschaften und Schenkungen unterstützen.
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