Heute schreibt euch: Jürgen
Trauer ist für mich nach wie vor eine Herausforderung. Die Entscheidung den Newsletter heute der Trauer zu widmen war allerdings keine Herausforderung, denn meine Trauer ist nach wie vor sehr präsent.
Mein Freund, Lehrer und Weggefährte, Robert Krzisnik ist gestorben. Sehr plötzlich. Er ist nicht mehr hier.
Wie geht es mir damit? Alles ist etwas langsamer, bedächtiger. Ich bin empfindsamer, weicher. Sehr sensibel auf einmal, meine Sinne sind sehr "wach"...
Und dann ist da Klarheit, plötzliche Klarheit zu so Einigem, als ob ein Schleier weggezogen wurde, und ich wundere mich, was mir vorher den Blick aufs Wesentliche versperrt hat. Ja, der Tod macht den Blick frei auf das Wesentliche.
Die Tränen wollen erst nicht fliessen, für einige Tage. Das kenne ich schon. Dann wundere ich mich und habe Gedanken und Urteile über mich: "Ich kann nicht richtig trauern", "ich bin nicht im Kontakt mit meinen Gefühlen", "Ich bin zu traumatisiert um zu trauern..." etc. etc.
Wenn die Trauer dann doch kommt, dann ist sie wie ein warmer, weicher Fluss. Sie fliesst ganz langsam durch mich hindurch und füllt jede Zelle, jede Ader mit ihrer wohligen Schwermütigkeit. Sie ist wie Samt, der mich einhüllt, friedlich und entspannend...
Der Kontakt mit der Kostbarkeit dieses Menschen und den Qualitäten der Freundschaft, Liebe, Verständnis, Entwicklung, Nähe, Vertrauen und vielen anderen, die uns verbunden haben, ist in dieser Trauer besonders intensiv. Viel intensiver als zu anderen Zeiten, wenn diese Bedürfnisse erfüllt sind. Interessant...
Ja, ich FEIERE in dieser Trauer wie kostbar dieser Mensch für mich war und alles was mit und durch ihn erfüllt war. Es ist also eine Trauerfeier...
Ich fühle diese Trauer in meinem ganzen Sein, Im Bauch, im Herzen, den Armen und Beinen, überall.... es ist ein starkes Gefühl UND es ist auch ein Bedürfnis. Für mich jedenfalls. Zu TRAUERN ist für mich ein Bedürfnis, es ist vielleicht einfach die andere Seite der Medaille des Feierns. Ich WILL ich MUSS die Kostbarkeit dieses Menschen in meinem Leben feiern und wertschätzen, deshalb trauere ich.
Falls du dich wunderst: Nein, meine Trauer ist nicht immer so rein und ungetrübt von Gedanken, Sorgen, Urteilen und Widerständen! Da sind auch eine Menge schmerzhafter Gedanken: Was hätte ich Robert noch alles sagen wollen? Was wollte ich noch alles fragen? Und vor allem: Warum habe ich ihm nicht viel deutlicher gesagt, wie sehr ich ihn liebe und schätze? Warum habe ich nicht viel mehr Zeit mit ihm verbracht? Auf diese Fragen gibt es selten fruchtbare Antworten und sie verstellen den Zugang zu meiner Trauer. Wenn ich in diesen Gedanken bin dann trauere ich nicht. Dann leide ich. Das ist der Unterschied.
Für die Trauer braucht es keine Gedanken. Sie sind eher hinderlich. Es erfordert für mich Aufmerksamkeit, Präsenz, Hingabe und Fokus um zu trauern. Die Gedanken und Urteile dürfen, nein sie müssen draussen bleiben.
Ein Bild des Menschen, vielleicht eine Kerze und Zeit in Stille zum spüren. Und so viel Stille im Geist wie möglich. Dann kann ich trauern...
Von Herzen Jürgen
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