"Spannungsfeld Männlichkeit" - Umstrittene Umfrage
„Studie: Ein Drittel der Männer findet Gewalt gegen Frau akzeptabel“: Diese aktuelle Schlagzeile des MDR sah man auch ähnlich in vielen anderen großen Medien, von „Spiegel online“ bis zur „Tagesschau“. In den ARD-„Tagesthemen“ am Sonntagabend war die Meldung sogar der Aufmacher, also das erste Thema der Sendung.
Dahinter steckte die Erhebung "Spannungsfeld Männlichkeit" der Hilfsorganisation Plan International, die diese als „repräsentative Umfrage“ veröffentlicht hatte. Befragt worden waren knapp 1.000 Männer und 1.000 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren zu verschiedenen Aspekten von Männlichkeit, zum Beispiel der Aufgabenverteilung im Haushalt und dem Umgang mit den eigenen Gefühlen. Dazu hatten sie einen längeren Online-Fragebogen ausgefüllt.
Laut einigen Expert:innen, u. a. Katharina Schüller, Vorstandsmitglied der Deutschen Statistischen Gesellschaft, gibt es einige Kritikpunkte, die die Aussage der Umfrage schmälern - außerdem würden sich die Ergebnisse nicht mit ähnlichen anderen Studien decken.
Beispielsweise wären Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen der befragten Personen und ob sie damit repräsentativ für die deutsche Bevölkerung stehen, nicht berücksichtigt worden (weitere Punkte auch in diesem ZDF-Artikel zu lesen). Allgemein sei bei Onlinebefragungen wegen der Panels eine grundlegende Verzerrung in den Daten sehr wahrscheinlich. Ein Panel bezeichnet die Menschengruppe, auf die für Befragungen zurückgegriffen wird.
Die Daten lieferte ein Marktforschungsinstitut aus Düsseldorf, das sich auf Online-Befragungen spezialisiert hat. Es hat ein eigenes Panel, die laut eigener Webseite per Online-Werbung, Mail-Listen, Zeitungsannoncen und Telefon angeworben werden. Für ihre Teilnahme bekämen die Befragten eine kleine Geldsumme.
Das Wort „Studie“ ist zum Sammelbegriff geworden. Sobald zu einem Thema irgendwelche Auswertungen vorliegen, werden sie in manchen Medien schon als "Studie" hochgeachtet - selbst wenn es nur Zahlen aus einer Online-Umfrage mit wenigen Hundert Teilnehmenden sind. Im Zweifelsfall sollten Medien also differenzieren, z. B. von Umfragen sprechen und Auftraggeber:innen immer transparent machen. Alle möglichen Ergebnisse pauschal als Studien zu labeln, verschleiert, wie aussagekräftig sie tatsächlich sind – und wertet echte Forschung, die oft sehr aufwendig und zeitintensiv ist, ab.
Der Organisation Plan International ist es somit gelungen, einem Thema viel mediale Öffentlichkeit zu verschaffen: mit einer – im Vergleich zu soziologischen, wissenschaftlichen Studien – relativ kleinen Umfrage. Allerdings heißt das nicht, dass die Ergebnisse der Studie völlig missachtet werden sollten. Man muss sie nur mit mehr Bedacht und einer kritischer Haltung aufnehmen - eine kurze Rechereche zur Methodik hilft meistens schonmal sehr viel weiter.
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