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BRAline online |
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Nº 17 | 02-22 |
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Einmal Burnout und zurück |
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Im Mittelpunkt dieser Ausgabe steht der berührende, authentische und erschütternde Bericht unserer Kollegin Kristina Stani. Mit Mut und Offenheit redet sie über das brisante Thema Burnout. So wird greifbar und vorstellbar, warum so viele Menschen, die in Sozial- und Gesundheitsberufen arbeiten, davon betroffen sind. Wir danken der Autorin, dass sie ihre Erfahrungen mit uns teilt und hoffen, dass dadurch das Verständnis dafür geschärft wird, was Mitarbeiter*innen zumutbar ist und was nicht.
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„Schau net so deppat du Drecksau, sunst stich i di ob!“ |
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Entschuldigt bitte diese provokante Formulierung, doch möchte ich euch mit großer Ehrlichkeit und Transparenz meinen Weg ins Burnout und wieder raus schildern.
Solche Aussagen und ähnliche gehören im
Schulheim seit längerem zur Tagesordnung und gelten laut ProDema zum „nicht
gelungenen Beziehungsversuch eines Klienten.“ Mit dieser Erklärung lässt sich
vieles rechtfertigen, was wir uns täglich „gefallen“ lassen dürfen, denn es ist
ja unsere Aufgabe als Pädagog*innen mit Aggression jeglicher Form umzugehen.
Schließlich sind wir ja alle geschult! Da meine Ansprüche an mich sehr hoch
sind, dürfte ich demnach als Deeskalationsmanagerin auf solche verbalen
Angriffe nur mit einem leichten Schulterzucken reagieren. Was die körperlichen
Angriffe betrifft, so müsste ich nach kurzem Ein- und Ausatmen wieder bei
Sinnen sein, um mir danach aus dem Medikakasten ein Pflaster zu holen, das
meine Kratzer oder blauen Flecken versteckt. Ab und zu wird versucht, die
Tragik des Geschehens mit Galgenhumor zu besänftigen, um es für einen kurzen
Moment erträglicher zu machen. Wie gesagt… für einen kurzen Moment.
In Wahrheit jedoch sind das nur Schutzmechanismen, um die Tatsache zu überspielen, dass es unglaublich weh tut,
mit Menschen, zu denen man jahrelang Beziehungsaufbau gelebt hat (und wie ich
mit vollem Herzen und mit gehöriger Portion Hingabe und Engagement
„gearbeitet“ bzw. „gelebt“ hat), an scheinbare Grenzen zu stoßen.
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Ich arbeite nun schon 16 Jahre für Mosaik, eine Firma, die mir am Anfang sehr lieb und teuer gewesen ist. Doch in
den letzten Jahren und ganz besonders im letzten Jahr stellte sich heraus, dass mich nur noch die Aussicht auf baldige Erholung in Form von Ferien oder
freien Tagen ermutigte, meiner Arbeit nachzugehen. Wochen vor meinem
Krankenstand im April 2021 wurde es für mich immer mühsamer, einen Grund bzw. einen Sinn zu sehen, überhaupt in die Arbeit zu gehen. Ich
konnte nicht mehr ein- oder durchschlafen, was sich natürlich negativ auf
meinen nächsten Arbeitstag auswirkte, weil ich schon sehr gerädert dort ankam.
All meine Versuche, das Beste aus den Kindern herauszuholen, erschienen für
mich plötzlich sinnlos. Mir fehlte immer mehr die Kraft und Motivation, meinem
Job nachzugehen und ich hinterfragte auch bald schon meine Stellung im Team. Es
fühlte sich für mich so an, als würde ich meinen Platz im Team verlieren, weil
ich nicht mehr wusste, ob ich da hingehöre – ich war sprichwörtlich verloren.
Ich hatte keine Energie mehr, fühlte mich ausgelaugt, ausgesaugt und mir kam es
so vor, als wären meine Reserven bereits beim Reingehen in die Arbeit fast
vollständig verbraucht. Dieser Zustand brachte mich immer tiefer in eine
Verzweiflung, die sich in Form eines Tränenmeers zuhause entleerte. Ich glaubte
keinen Ausweg mehr zu sehen und brach eines Tages daheim komplett zusammen. Das
war für mich der Zeitpunkt, wo ich entschied, mich krankschreiben zu lassen. Ich
dachte, mich nach 2–3 Wochen Krankenstand wieder erholt zu haben und zu
Kräften gekommen zu sein. Doch es kam anders. Ich bekam zunehmend starke
Unruhezustände, die schwer zu beschreiben sind. Meine Gedanken kreisten die
ganze Zeit wild in meinem Kopf, wurden immer negativer und dort, wo einst
kreative Lösungen, Humor und Leichtigkeit waren, umgab mich jetzt eine große
schwarze Wolke aus Sinn- und Hoffnungslosigkeit.
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Was für mich auch erschreckend war am
Burnout, ist der Zustand, dass alles zu viel ist. Selbst die einfachsten Dinge,
wie einkaufen gehen, kleinere Erledigungen im Haushalt oder nur
aufzustehen wurden zur großen Herausforderung für mich. Ich wusste plötzlich den
Weg zu meiner besten Freundin nicht mehr und musste die Fahrt mithilfe vom Navi
fortsetzen (die Strecke bin ich gefühlt 1000-mal zuvor gefahren). Ich hatte ein
schlechtes Gewissen, so schwach zu sein, meine Kolleg*innen im Stich zu lassen und
schämte mich sehr. Das Schlimmste jedoch war, dass ich mich nicht mehr aus
eigener Kraft aus diesem Zustand befreien konnte. Ich hinterfragte mein ganzes
Sein. Ich fiel in eine tiefe Depression.
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Ich entschied in einer guten Stunde, mir
Hilfe in Form von Psychotherapien und Aufstellungen zu holen. Es stellte sich
heraus, dass mehrere wichtige „Säulen“ in meinem Leben wackelig geworden waren und ich den Halt und die Sicherheit verloren hatte. Nach mehreren Coachings, wo
ich mich sehr wertgeschätzt und aufgehoben fühlte, fand ich langsam wieder
neuen Mut und neue Perspektiven. Es war ein steiniger Weg aus diesem „Loch“ mit
vielen Rückschritten. Beim Vorwärtsgehen half mir auch der Austausch mit
Betroffenen, wo ich mich sehr verstanden und aufgefangen fühlte.
Was ich glücklicherweise schon von
Beginn meines Burnouts an versucht habe und was letztendlich auch maßgeblich zu
meiner Heilung beigetragen hat, ist, mit dem Thema „Burnout“ und Depression
OFFEN umzugehen, meine Scham abzulegen und mir selbst zu erlauben, schwach und
erschöpft sein zu dürfen.
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Burnout ist kein gebrochener Fuß, der
von selbst wieder heilt. Es ist ein Ausgebranntsein, dass meiner Meinung nach
auch hauptsächlich Menschen betrifft, die für etwas brennen! Ich kann von mir
behaupten, ein sehr feuriges Wesen zu sein, das stets mit viel Power,
Ideenreichtum, Engagement, Tatendrang, Spontaneität und Liebe arbeitet und lebt.
Ich war stets bereit, einen großen Aufwand in der Arbeit zu betreiben, um die
Kinder auch nur für einen Moment lang glücklich zu sehen. Das ist nicht der
Grund, warum ich im wahrsten Sinne des Wortes zusammengebrochen bin. Ich habe
mich sehr intensiv (und tue es wahrscheinlich mein ganzes Leben schon) mit mir selbst
beschäftigt, um herauszufinden, welche Ursachen mich ins Burnout gebracht
haben. Ich kann nur aus meiner eigenen Perspektive erzählen und bin zu dem
Ergebnis gekommen, dass fehlende Wertschätzung, Aggression und Verletzungen in
der Arbeit, zunehmender, nicht endender Stress in jeder Lebenslage, fehlende
Selbstliebe, die Freude an der Arbeit und die Absicht, es allen recht machen zu
wollen, zu meinem persönlichen Ausbrennen geführt haben. Dazu kamen natürlich
viele, viele Symptome, die mich geschwächt haben und mich sehr verunsicherten.
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Im Erkennen dieser Ursachen liegt der
Schlüssel zur Heilung. Ich mache es mir seither zur Aufgabe, mir öfter Gutes zu
tun, mir mehr Zeit für Entspannung zu schenken, ehrlicher mit mir zu sein, mich
von Dingen, Menschen und alten Mustern zu verabschieden, die nicht mehr zu mir
passen, und vieles mehr, dass mich in meine Selbstliebe bringt. Auch wenn es
nicht immer gelingt, so weiß ich doch, dass ich keine Lust habe auf ein
Burnout 2.0!
Die gute Nachricht ist, dass sich durch
mein Burnout interessante Richtungen für mich auftun, sich mir neue Chancen
bieten und ich in mir unentdeckte Kräfte aktivieren kann, die ich zuvor nicht
kannte. Ich brauchte wahrscheinlich diesen Niedergang, um mich wieder mehr um
mich zu kümmern – das weiß ich jetzt. Jede Krise bietet neue Möglichkeiten,
wenn man bereit ist, sie zu sehen. Ich möchte keinen Schuldigen im Außen für
mein Burnout suchen, denn ich weiß, dass ich selbst die Verantwortung für mein
Leben trage und immer selbst entscheide, wie ich mit Einflüssen von außen
umgehe.
Ich bin gebeten worden, diesen Artikel zu
schreiben, um mehr Einblicke für die Gründe, den Verlauf und die Heilung des
Burnouts zu veranschaulichen. Während des Schreibens ist mir selbst vieles bewusst geworden und ich gewann wieder neue Ansichten. Danke daher an Gernot Leitner, der mich
diesbezüglich gefragt hat.
Vielleicht brauchte es einen
Zusammenbruch, um in voller Größe wieder aufzustehen.
Wer bis hier noch dabei ist – Danke fürs
Zeitnehmen und Einlassen.
Seid achtsam mit euch und alles Liebe!
Eure Kristina Stani
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Informationen zum Thema Burnout, woran man es erkennt und was man tun kann, um ihm vorzubeugen oder es zu behandeln, findet ihr in einer Broschüre der Arbeiterkammer:
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In der Online-Bibliothek der Arbeiterkammer Steiermark gibt es dazu viele interessante elektronische Bücher:
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